Adipositas-OP ohne Kostenzusage der Krankenkasse: St. Martinus-Krankenhaus operiert trotzdem

24. Mai 2016

Düsseldorf. Anlass ist der Save-a-life-day der Arbeitsgemeinschaft Adipositaschirurgie

Günther Gipkens wiegt 196 Kilo, hat schon viele Diäten ausprobiert, betätigt sich sportlich, aber die Kilos verschwinden nicht. Jetzt leidet er auch unter den Folgeerkrankungen Diabetes und Bluthochdruck. Metabolisches Syndrom nennen Mediziner diese Erkrankung: eine Kombination verschiedener Krankheiten und Symptome und damit Risikofaktor für Herz-Kreislauferkrankungen. Eine Magenverkleinerung ist für den 53-jährigen Emmericher deshalb notwendig. Der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) hat die Therapie abgelehnt. Trotzdem wird er von Dr. med. Matthias Schlensak und seinem Team operiert. Die Kosten werden danach vom Krankenhaus bei der Krankenkasse eingefordert.

Der Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie am St. Martinus-Krankenhaus Dr. med. Matthias Schlensak möchte mit der Operation Aufmerksamkeit erregen. Anlass ist der „Save-a-life-day“, der von der Arbeitsgemeinschaft Adipositaschirurgie (CA ADIP) anlässlich des Europäischen Adipositastags am 25. Mai ausgerufen wird. Deutschlandweit beteiligen sich Krankenhäuser und Adipositaszentren an diesem Aktionstag, indem sie Patienten ohne Kostenzusagen der Krankenkassen operieren. Danach werden alle beteiligten Zentren versuchen, die Kosten dafür erstattet zu bekommen.

Dass lebensnotwendige Operationen für Adipositaspatienten nicht bewilligt werden, ist nicht selten. Je nachdem in welchem Teil von Deutschland Betroffene leben, gibt es unterschiedliche, teilweise nicht nachvollziehbare Entscheidungen der Kassen. Die Aussage des MDK lautete bei Günther Gipkens, dass womöglich nach der Magenverkleinerung eine Mangelernährung zu befürchten sei. „Diese Ablehnung ist für einen Patienten, der 196 Kilogramm wiegt schwer nachvollziehbar. Er leidet bereits unter der Folgeerkrankungen Diabetes und Bluthochdruck und benötigt die Schlauchmagen-Operation, denn sie ist die letztmögliche Behandlungsoption, die dem Patienten noch helfen kann“, sagt der Chefarzt. Der MDK hat für einen Eingriff sozialmedizinische Voraussetzungen definiert, die von dem Patienten erfüllt werden müssen; ein sogenanntes Multimodales Konzept (Ernährung-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie), welches ein Patient sechs Monate zu absolvieren hat. Auch Herr Gipkens hat dieses Programm im Vorfeld durchlaufen, aber trotzdem verliert er kaum an Gewicht. „Der Patient hat alle Voraussetzungen erfüllt und deshalb führen meine Kollegen und ich diesen Eingriff durch, denn die Folgeerkrankungen können lebensbedrohlich sein“, sagt der Chefarzt.

Die Arbeitsgemeinschaft Adipositaschirurgie und viele Chirurgen fordern deshalb die Abschaffung der Einzelgenehmigung für adipositaschirurgische Eingriffe, wenn diese leitliniengerecht und qualitätsgesichert durchgeführt werden. „Unsere Patienten müssen sich jede Behandlung in unserem Adipositaszentrum im Vorfeld von der Krankenkasse genehmigen lassen. Der MDK entscheidet regional sehr unterschiedlich und häufig nicht nachvollziehbar. Selbst leitliniengerechte Indikatoren werden zum Teil von den Kasse abgelehnt, so wie bei unserem Patienten Herrn Gipkens“, sagt der Chefarzt. Europaweit werden pro 100.000 Einwohner 18 Operationen durchgeführt, in Deutschland sind es nur 12. Auch innerhalb Deutschlands schwanken die Zahlen. „Wenn Sie in Berlin wohnen und dort behandelt werden, ist die Wahrscheinlichkeit deutlich höher, dass die Krankenkasse die Kosten übernimmt. Dort gibt es 48 Eingriffe pro 100.000 Einwohner, im Saarland dagegen nur 3“, erklärt der Leiter des Adipositaszentrums.

Über die komplexe und chronische Erkrankung und deren Folgeerkrankungen ist in der Bevölkerung bisher wenig bekannt. Deshalb versuchen Gesellschaften, Selbsthilfegruppen und Krankenhäuser am „Save-a-life-day“ auf die Krankheit aufmerksam zu machen. Denn adipöse Patienten leiden oftmals zusätzlich an psychischen Erkrankungen. „Das Umfeld der Patienten denkt häufig, dass es sich um eine selbstverschuldete Erkrankung handelt. Gemeine Sprüche, Fingerzeigen und strenge Blicke sind Alltag für unsere Patienten. Deshalb ziehen sie sich häufig zurück und nehmen noch mehr zu“, sagt Dr. Schlensak. Wenn das Körperfett aber eine bestimmte Masse überschreitet und alle konservativen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind, ist eine Operation unausweichlich, um dem Patienten zu helfen. Auch Günther Gipkens hegt Hoffnungen an die Operation: „Wenn ich abgenommen habe, schaut mich vielleicht keiner mehr so komisch von der Seite an, wenn ich auf mein Fahrrad steige.“



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